“Soll ich mich schämen für das, was geschah?
Ich wäre heut nicht, wie ich bin, wär es damals nicht gewesen, wie es war!” – Cora E.
Nicht jeder erreicht beruflichen Erfolg auf einem einzigen, geradlinigen Weg. Als Mensch mit vielen Begabungen habe ich in vielfältigen Rollen, Unternehmen und Branchen gearbeitet. Doch gerade dieser Weg führte mich letztendlich dazu, meine Berufung als systemischer Coach zu entdecken.
Erfahrungen in meiner eigenen Familie, in sozialen Bewegungen, in der Bildungsarbeit und im internationalen Austausch haben mir die Augen dafür geöffnet, wie systemische Ungerechtigkeiten auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene wirken – und wie wichtig es ist, Räume zu schaffen, in denen nicht nur Heilung und Wachstum möglich sind, sondern wo wir uns außerdem unserer immensen Resilienz und Selbstwirksamkeit bewusst werden können.
Ich wurde 1985 geboren und bin als afro-deutsches Kind in einem kleinen Dorf in Hessen an der Eder aufgewachsen. Meine Familie bestand aus meiner Mutter und meiner Großmutter – zwei weißen deutschen Frauen, die mich mit unermüdlicher Liebe und Hingabe erzogen. Sie waren meine Welt, mein Halt, meine Inspiration.
Meine Mutter, voller Leidenschaft für Musik, Kunst, Kultur und Reisen, hatte zwar nie einen Beruf erlernt, aber war, solange ich denken kann, immer voll berufstätig. Sie zeigte mir die Schönheit und Vielfalt der Welt, wann immer sie frei hatte: Urlaub mit dem Auto durch ganz Deutschland. Meine Großmutter war mein Fels in der Brandung. Sie lehrte mich, dass man sich immer gegen Unrecht wehren muss und den Mut haben sollte, laut zu sein, wenn Anderen Unrecht widerfährt.
Doch trotz all ihrer Liebe und Stärke konnten sie als weiße Frauen nicht vollständig begreifen, was es für bedeutete, als sogenanntes mixed-race* Kind in Deutschland aufzuwachsen.
*Ich vermeide es, hier rassistische Begriffe wiederzuverwenden, mit denen ich normalerweise bezeichnet wurde. “Afrodeutsch” und “Schwarz” mit großem S, als politische Selbstbezeichnung für mich zu verwenden, habe ich erst später von anderen Schwarzen Menschen gelernt.
In Deutschland aufzuwachsen, bedeutete für mich Isolation, rassistische Ausgrenzung und das Fehlen eines Resonanzraums, in dem ich lernen konnte, mit diesen Erfahrungen umzugehen. Mit sechs Jahren dachte ich das erste Mal darüber nach, mir das Leben zu nehmen. Doch inmitten dieser Einsamkeit entwickelte ich überlebenswichtige Strategien: Empathie, die Fähigkeit, Menschen lesen und verstehen zu können. Einen scharfen, analytischen Verstand, um komplexe soziale Situationen analysieren und einschätzen zu können. Ein sensibles Gespür für Menschen, Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen. Ich habe gelernt, wie ich meine Gabe nutzen kann, um authentische Beziehungen zu bilden, Grenzen zu setzen und mich strategisch zu verhalten, wenn es notwendig ist.
Außerhalb unseres liebevollen Zuhauses war ich oft auf mich allein gestellt. Das Gefühl des Andersseins begleitete meine Kindheit. Erst als Teenager fand ich meinen sicheren Hafen im Hip-Hop. Auch wenn meine Queerness dort bis dato keine Repräsentation fand, gab mir diese Kultur nicht nur ein Gefühl der Zugehörigkeit, sondern auch Vorbilder, die aussahen wie ich – und die stolz darauf waren, Schwarz zu sein. Es war diese Verbindung, die mich soviel über die Kultur meines Vaters lehrte und mich später dazu bewegt hat, Medienmanagement im Schwerpunk Musik zu studieren.
2006 zog ich nach Berlin. In der Hauptstadt entdeckte ich nicht nur neue berufliche Perspektiven, sondern auch eine Gemeinschaft, die mich in allen Aspekten meiner Identität bestärkte. Berlin wurde mein Zuhause für fast zwei Jahrzehnte – eine Zeit, in der ich mich persönlich, politisch und kreativ entwickelte.
Das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit hat meine politischen, beruflichen und privaten Beziehungen lange dominiert. Es hat lange gedauert, bis ich mir dessen bewusst geworden bin und den Mut hatte, mich meiner tiefsitzenden Angst vor Ablehnung zu stellen.
Ich bin nicht mit meinem Vater aufgewachsen. Mein Vater, ein Berufssoldat der US-Armee, wurde kurz nach meiner Geburt in die USA zurückversetzt, wo er zu seiner bereits bestehenden Familie zurückkehrte. Der Kontakt brach ab, und es vergingen knapp drei Jahrzehnte, bis ich ihn 2017 über Facebook wiederfand.
Als wir uns in Berlin trafen, begann eine Reise der Wiederannäherung, die oft schmerzvoll, aber auch unbeschreiblich wertvoll war. Ich lernte meine Halbgeschwister kennen, besuchte sie 2018 zum ersten Mal in Florida und bemühte mich seitdem, Beziehungen zu ihnen und meinen Nichten und Neffen aufzubauen. Mit den Kindern ist mir das ganz gut gelungen, mit meinen Geschwistern eher weniger.
Ich lernte, dass Menschen immer von ihrer eigenen, individuellen Geschichte geprägt sind. Dass die Werte, Weltanschauung und Strategien, die wir entwickeln, unterschiedlich sind – selbst unter den nächsten Verwandten – und dass es nicht an mir ist, irgendwen dafür zu verurteilen. Auch wenn mir ihre Ansichten und Handlungen extrem von meinen abweichen.
Der Familiensinn meiner Geschwister war in ihrer Kindheit von der Abwesenheit ihrer Eltern geprägt worden, die sich beide dem US-Militär verpflichtet hatten und zuhause ihren persönlichen Krieg gegeneinander führten. Mein familiäres Umfeld war hingegen safe, empowernd, inspirierend. Während ich mir Kontakt zu unserem Vater gewünscht habe, hatten fast alle meine Geschwister den Kontakt zu unserem Vater bewusst abgebrochen.
2017 war ein entscheidender Wendepunkt für mich: Nicht nur traf ich meinen Vater wieder, ich war auch Mitbegründer*in der Initiative Black Lives Matter Berlin. Kurz darauf erlebte durch den Tod meiner Großmutter auch zum ersten Mal den Verlust eines Elternteils.
Politischer Aktivismus und der Kampf für eine gerechtere Welt waren mir von meiner Mutter und meiner Großmutter vorgelebt worden. Durch diesen Aktivismus fand ich meine Stimme und begann, meine persönlichen Erfahrungen mit professioneller Expertise zu verbinden – in der politischen Bildungsarbeit, im internationalen Austausch mit Künstler*innen und Aktivist*innen in Europa, Nord- und Süd Amerika, und schließlich auch in Afrika. In der Konfrontation mit Tod und Trauer wurde ich unausweichlich vor die Aufgabe gestellt, mein Leben bewusst zu leben. Denn wenn ich sage ‚Black Lives Matter‘, dann sage ich auch, dass mein eigenes Leben zählt.
2023 verließ ich Deutschland, um in Gambia, West Afrika, einen persönlichen Neuanfang zu wagen. Ein Jahr zuvor hatte ich dort zum ersten Mal den verschwägerten Teil meiner Familie besucht, die ich bisher nur von Erzählungen durch den Ehemann meiner Mutter kannte. Mit der Intention mich von Deutschland zu befreien und gleichzeitig einen Teil von mir kennen zu lernen, der bisher nie frei von den Fremdzuschreibungen einer weißen Mehrheitsgesellschaft existieren konnte – traf ich eine Bewusste Entscheidung, die meine mentale und körperliche Gesundheit sowie meine Arbeit tiefgreifend bereichert hat.
Bei meiner Familie in Gambia erlebte ich eine Willkommenskultur, die mein Herz berührte und meine Sichtweise auf das, was wirklich zählt, transformierte. Meine Relocation brachte mir nicht nur sozialen Reichtum, mehr Nähe zu Gott und einen starken Gemeinschaftssinn, sondern auch die Klarheit, dass ich als Coach und Berater*in eine Brücke sein möchte – zwischen persönlichen Kämpfen und beruflichem Erfolg, zwischen individueller Heilung und kollektiver Transformation.
Nachdem ich 2024 erfuhr, dass mein Vater mit schwerer Demenz diagnostiziert worden war, traf ich die Entscheidung ihn zum ersten Mal in seiner Heimatstadt Chicago zu besuchen und lernte nun auch meine Onkel, Tanten und über 25 Cousins und Cousinen kennen.
Mein Vater ist der Erstgeborene von sieben Geschwistern, geboren und aufgewachsen in der South Side von Chicago. Er war seit seinem 18. Lebensjahr im Militär, hatte in zwei Kriegen gekämpft und überlebt. Laut einer Fachärztin, die sich auf Veteranen spezialisiert hat, könnten die Symptome seiner Demenz auch auf ein unbehandeltes Longterm PTSD zurückzuführen sein.
Keine*r meiner Geschwister hat sich bis heute dazu durchringen können, ihn in der Pflegeeinrichtung zu besuchen, in der er jetzt lebt. Sie können ihm nicht die psychische und psychische Gewalt vergeben, die sie durch ihn erfahren mussten, wenn er mal nicht im Einsatz war. Ich hingegen bin auf einen sanften, beinahe kindlichen alten Mann getroffen, der laut seiner Geschwister und meiner Cousins und Cousinen nicht mehr der Mensch ist, der er mal war. Sie haben mich mit offenen Armen empfangen. Als hätte sie die vergangenen 39 Jahre nur darauf gewartet, mich endlich in ihre Herzen schließen zu dürfen.
Meine Vater als Mensch zu sehen, nicht als meinen Vater – und die Geschichte dieses Menschen als Sohn, Bruder und Vater zu begreifen. Zu entdecken, dass ich kein Einzelkind, sondern eins von fünf Geschwistern bin. Dass ich Teil einer Familiengeschichte bin, die bis zur Urgroßmutter meines Vaters zurück erzählt werden kann. Zu lernen, dass auch sie ein mixed-race Kind war – Black and Native American. Das alles hat mein Leben tiefgreifend bereichert.
Eine meiner Tanten wurde zu einer wichtigen Mentorin für mich. Sie hat mich nicht nur inspiriert, sondern maßgeblich dazu ermutigt, den Schritt in die Selbstständigkeit als Coach zu wagen. Die Begegnungen mit meinen Geschwistern und meiner Familie väterlicherseits haben mir geholfen, intergenerationelle Traumata zu verstehen und Heilung auf persönlicher wie auch beruflicher Ebene zu finden.
Im Laufe meines Lebens habe ich essenzielle Soft Skills entwickelt, die es mir ermöglichen, komplexe und stressbelastete – überwiegend weiß dominierte Räume erfolgreich zu navigieren. Aber ich musste das alles immer alleine schaffen. Von meiner ersten Erfahrung als Klassensprecher*in meiner Grundschulklasse bis hin zu meiner Rolle als DEI Consultant, in der ich u.a. Trainings für Mitarbeitende des Berliner Senats und Stadtverwaltung anleitete. Ich hatte ständig mit Ängsten und Depressionen zu kämpfen. Der Mangel an Schwarzen Vorbildern und Mentor*innen hat es zusätzlich erschwert.
Erst nachdem ich meine Beziehung zum meinen Eltern regeneriert hatte, war ich in der Lage alle Teile meiner Selbst zu einem Ganzen zusammen zu fügen und bewusst die Führung zu übernehmen. Ich wusste jetzt wohin es für mich gehen sollte. Ohne mich den Ängsten zu stellen, die ich in der Konfrontation mit meiner Familie in den USA, und in der daraus resultieren Dynamik auch mit meiner Mutter in Deutschland durchlebt habe, wäre ich nicht im Stande gewesen, einen klaren Weg für mich zu erkennen.
Mit meiner Erfahrung unterstütze ich heute insbesondere Schwarze Menschen und People of Color (BPoC) dabei, authentische Beziehungen aufzubauen, selbstbewusst Entscheidungen zu treffen und so auch herausfordernde Arbeitskontexte zu navigieren. Diese Arbeit erfüllt mich, denn sie hat einen spürbaren und weitreichenden Effekt, auf meine Klient*innen und die Systeme, von denen sie Teil sind: Beruflich, familiär, gesellschaftlich.
Mit meiner Expertise in psychologischer Beratung, systemischem Coaching und Intersektionalität biete ich einen differenzierten Ansatz, der die Themen aufgreift, denen Menschen an den Schnittstellen ihrer Identitäten begegnen. Mein Ansatz zielt darauf ab, Räume zu schaffen, in denen Klient*innen sich gesehen, reflektiert und ermutigt fühlen, um sich persönlich zu entwickeln, während sie gleichzeitig beruflich wachsen.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, übertrieben sichtbar und gleichzeitig unsichtbar zu sein. Wenn einzigartige Perspektiven übersehen werden oder wenn strukturelle Barrieren deinen Weg blockieren. Ich habe auch gelernt, wie man Widrigkeiten in Stärken verwandelt. Mit diesem Wissen helfe ich Dir dabei, Dich selbst besser zu verstehen, gefestigt Entscheidungen zu treffen und Dein Potenzial voll auszuschöpfen.
“Vor der Zusammenarbeit mit Shaheen hatte ich mit der Einordnung und Abgrenzung von Fremdzuschreibungen zu kämpfen, was verstärkt zu Scham-, Schuld- und Isolationsgefühlen geführt hat. Als mehrfach marginalisierte Person fiel/fällt es mir oft schwer, meine Intuition und Perspektive als genauso wichtig und gültig einzuordnen wie die von anderen Personen.
Mit einer unfassbar geerdeten, warmen, geduldigen und aufmerksamen Art hat Shaheen mir Raum gegeben – zum Erzählen, Weinen und Fragenstellen. Im Vergleich zu Gesprächen mit anderen Berater*innen hatte ich das Gefühl, dass mir eine Person gegenübersitzt, die sich wirklich Zeit und Raum für mich nimmt. Gerade in dieser schwierigen Phase war es unfassbar empowernd für mich, zu spüren, dass das, was mich umtreibt, verdient hat, ausgesprochen, gehört und besprochen zu werden. Nach jedem Gespräch habe ich mich vor allem erleichtert gefühlt. Und seither fühle ich mich mutiger, wenn es darum geht, meiner eigenen Intuition zu vertrauen. Ich bin unglaublich dankbar für Shaheens Beratung und kann die Zusammenarbeit von ganzem Herzen weiterempfehlen!"
Jamila
Individualpsychologische Grundausbildung
Systemisches Coaching
750 Unterrichtseinheiten (inkl. 187 Unterrichtseinheiten Coaching Praxis)
VfTC – Verbund freier Trainer und Coaches
Institut für Individualpsychologie
(2024)
Grundausbildung Antidiskriminierungsberatung
152 Zeitstunden, berufsbegleitend
Antidiskriminierungsverband Deutschland in Kooperation mit Each One Teach One e.V.
(2022)
Berufsbegleitende Weiterbildung
122 Seminarstunden bzw. 175 Zeitstunden
ManuEla Ritz — Teamerin gegen Diskriminierung, für Empowerment und critical Diversity
(2022)
In-house Weiterbildung Grundlagen für beratende Arbeit
nach dem Ansatz der “Diversitätsorientierten Organisationsentwicklung”
Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) e.V.
(2021)